Cybersex-Sucht. Ein Thema, das vor einigen Jahren noch als Sciencefiction abgetan oder bestenfalls belächelt wurde, hat inzwischen viele Deutsche erreicht. Insbesondere Frauen laufen Gefahr, aus Versehen in eine handfeste Cybersex-Sucht-Krise abzurutschen. Warum ist das der Fall?
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Cybersex, ja – aber nicht als Lebensmittelpunkt
Sich völlig anonym der Lust hinzugeben und ungewöhnliche Fantasien auszuleben, die man sich im wahren Leben nicht auszusprechen traut. Das ist die Basis von Cybersex. Auf diesem recht simplen Gerüst hat die Branche eine Vielzahl von „Rotlichtbezirken“ im Netz etabliert. Diese befriedigen alle erdenklichen Gelüste.
In diesem Zusammenhang gilt jedoch:
- Männer, die es gerne etwas strenger mögen, bekommen im Chat häufig ihr Fett weg.
- Frauen, die auf muskelbepackte und gut bestückte Jünglinge stehen? Haben jederzeit und überall Zugriff auf Dutzende Webcams, vor denen sich ihre Traummänner räkeln.
Dabei wird der Grat zwischen Lust und Laster immer schmaler.
Solange der Cybersex als Ersatzbefriedigung dient oder dazu gedacht ist, um hin und wieder ein wenig Druck abzubauen? Ist alles gut, denn immerhin geht es schlichtweg um pure Lust. Verringern sich die Abstände zwischen den Chats hingegen immer mehr und nimmt der Drang nach neuen Erlebnissen, Bildern und Höhepunkten überhand? Dann hat man(n) respektive Frau den schmalen Grat zur Cybersex-Sucht möglicherweise schon überschritten. Die virtuelle Welt, in der Wünsche einfach über die Lippen gehen und gleich erfüllt werden, verdrängt nach und nach die Realität.
Das Suchtpotenzial ist groß und wird allzu leicht unterschätzt.
Betroffene verlieren nicht nur Freunde und den Lebenspartner.
Stattdessen verschulden sie sich möglicherweise, weil sie stundenlang in kostenpflichtigen Videochats verbringen.
Dass es sich hierbei nicht um Einzelfälle handelt, belegen Studien. Sie haben ergeben, dass bis zu 30.000 Menschen in der Bundesrepublik süchtig nach Cybersex sind. Um es gar nicht erst zur Cybersex-Sucht kommen zu lassen, lohnt es sich, sein eigenes Verhalten kritisch zu hinterfragen. Sonst gerät der virtuelle Sex ganz schnell zum Lebensmittelpunkt. Grundsätzlich spricht nichts gegen die Abenteuer am PC. Sofern du dir bewusst bist, dass abseits des Rechners ein Leben existiert, in dem Lust hautnah erfahren werden kann.
Ungeahnte Sogkräfte – bis hin zur Cybersex-Sucht
Eins ist unbestritten: Cybersex kann eine Bereicherung sein. Vielleicht ist der virtuelle Spaß der erste Schritt in eine echte Beziehung. Manchmal verhilft die Lust am PC der eigenen Sexualität zum Durchbruch oder zeigt Begierden auf, die bislang im Verborgenen blieben.
Eines vermag Cybersex auf jeden Fall:
Er kreiert eine neue, ganz persönliche Ebene der Sehnsüchte.
Je nachdem, wie man diese Dimension erfährt, ergänzt sie das bisherige Sexleben oder löst es ab.
Damit es nicht so weit kommt, sollte man rechtzeitig die Reißleine ziehen. Das fällt zunehmend schwerer, je tiefer man sich in den virtuellen Raum gleiten lässt. Das passiert vielen Menschen, denn eine halbe Million Personen in Deutschland gilt aktuellen Studien zufolge als internetabhängig.
Dabei unterscheiden sich die Auslöser bei Männern und Frauen durchaus:
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Bei männlichen Jugendlichen und jungen Männern lösen in erster Linie Onlinespiele die Sucht aus. | Frauen entwickeln eher eine Abhängigkeit von sozialen Netzwerken. Sie leiden teilweise sogar unter Entzugserscheinungen, wenn sie nicht rund um die Uhr online sein können. |
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Wie sieht es bei der Cybersex-Sucht aus?
Das Thema Cybersex-Sucht tangiert eher Männer mittleren Alters.
Sie sitzen nicht am Computer, um mit möglichen Partnerinnen zu chatten. Sie ergötzen sich stundenlang an Pornos. Kontakte mit dem anderen Geschlecht rücken bei dieser Form der Sucht in den Hintergrund. Das Internet dient vielmehr als Ersatzbefriedigung, wenn man die eigenen sexuellen Neigungen unterdrückt. Sie werden nicht ausgelebt, weil sie illegal sind oder aber eine Gefahr für eine bestehende Beziehung darstellen. Hier zeigen sich Parallelen zu Jugendlichen, die von Computerspielen abhängig sind.
Das Internet ist dann der einzige Ort, an dem sie noch etwas Positives erleben können“, so Bert te Wildt von der Bochumer Ambulanz für Internetabhängige.
Frauen sind zunehmend von der Cybersex-Sucht betroffen.
Ursache dafür ist, dass Frauen ein anderes Kommunikationsverhältnis als Männer an den Tag legen. Frauen geht es seltener um reine erotische Triebbefriedigung, sondern eher um eine gewisse zwischenmenschliche Ebene und Verständnis füreinander. Von daher nutzen sie virtuelle Kontakte gleichermaßen, um sich als Mensch akzeptiert zu fühlen und ihr erotisches Ego aufzubessern.
Zum einen sorgt der Männerüberschuss auf vielen Erotik-Communitys dafür, dass viele Frauen von der Menge der Kontaktoptionen quasi erschlagen werden.Gerade im Bereich des erotischen Egos lauern jedoch einige Gefahren. Andererseits gibt es viele Männer, die einen scharf finden, dass manche Ladys ihre „echte“ erotische Ausstrahlung überschätzen.
Klar, ein virtueller Fick ist für Frauen schnell gefunden und macht im besten Fall Lust auf mehr. Allerdings besteht die Möglichkeit, dass er Frauen in die Cybersex-Sucht treibt, weil es zunehmend Missverständnisse im echten Leben gibt. Und wie viele Menschen wissen eine rosarote WWW Märchenwelt mehr zu schätzen als eine ernüchternde Realität?
Diese Gefahren lauern bei der Cybersex-Sucht
Die größte Gefahr dabei ist, dass du der Sexsucht oder Hypersexsucht verfällst. So verbringst du dann täglich einige Stunden damit, sich die pornographischen Inhalte anzuschauen. Ganz davon abgesehen, dass du dich nicht mehr unter Kontrolle hast und das Ganze zu einer süchtigen Gewohnheit wird. Du kommst ohne die Droge des virtuellen Sexkonsums nicht mehr aus.
Eine weitere negative Wirkung ist ein kommunikatives Missverständnis zwischen dir und deinem Partner. Du lebst in einer bestehenden Beziehung, er entdeckt deine Neigung und fasst deine Handlungen als Fremdgehen auf. Die Folge: Er fühlt sich verletzt, böse betrogen und hintergangen. Und das nicht zu Unrecht.
Noch schlimmer ist der Realitätsverlust. So gewöhnst du dich im Internet an die kurzen und aufregenden Begegnungen, die sich im realen Leben viel schwieriger gestalten. Zudem kannst du das Ganze sofort beenden, wenn du keine Lust mehr hast oder diese dann verflogen ist.
Die Folgen von Cybersex-Sucht
Stand Mai 2013 verbringen die Deutschen im Schnitt täglich 9:36 Minuten auf Sexseiten und liegen damit deutlich über dem weltweiten Durchschnitt von 8:38 Minuten.
Was zunächst nach schnöden Zahlen klingt, entpuppt sich in Wahrheit als Prozess. Als ein Prozess, der nicht folgenlos an den Betroffenen vorüber geht. In diesem Prozess, den eine Cybersex-Sucht noch zusätzlich vorantreibt, spielen Faktoren wie
- Depressionen,
- Soziophobie und
- die Angst vor sozialen Kontakten
eine grundlegende Rolle. Kein Wunder, denn Personen, die von einer Cybersex-Sucht betroffen sind, reagieren in vielen Belangen genauso wie andere Süchtige. Ob es sich dabei um Trink-, Spiel- oder Drogensucht handelt, ist zunächst unerheblich.
Der große Haken an einer Internet- oder Cybersex-Sucht ist jedoch der, dass sie sich gerade im Anfangs- und Mittelstadium hervorragend vertuschen lässt.
Insbesondere Personen, die berufsbedingt viel Zeit vor dem Computer verbringen, gelten lange als unverdächtig. Zumindest so lange, wie ihre Arbeitsleistung stimmt und niemand ihre Internet-Chronik überprüft. Davon abgesehen schätzen sich viele Betroffene gar nicht selbst als Menschen mit Hang zur Cybersex-Sucht ein. Das liegt daran, dass häufig nur das Porno-Schauen oder Cam-Sex als Cybersex durchgehen. Aber auch die Bildbetrachtungen (mit und ohne Masturbation), das Versenden von Mails mit erotischem Inhalt, das Führen von sexuell anzüglichen Chats, die Stimulation mit Hilfe von Datenhandschuhen oder -helmen gehören bereits in diesen Bereich.
Fatal: Die Cybersex-Sucht entmachtet unbewusst
Zugegeben, im ersten Moment sieht es so aus, als würdest du die Situation im Griff haben. Und deine virtuellen Sexpartner gleich mit. Allerdings kann es durchaus sein, dass du dich in diesem Ansatz kolossal täuscht. Denn nicht selten ist derjenige, der sich für den Benutzer schlechthin hält, der Spielball von jemandem, der die Bedürftigkeit des Ersten erkannt hat. Folglich ist es kein Problem, den selbsternannten Sexhelden springen zu lassen – es kommt lediglich auf das Drücken der richtigen Knöpfe an.
Vor allem Frauen haben mit diesem Prinzip häufig unbewusst ihre liebe Not, weil sie sich in ihrer eigenen Wahrnehmung sehr von der männlichen Perspektive abhängig machen.
Inwiefern dies ein natürliches oder kulturell angelerntes Verhalten ist, wird immer noch intensiv diskutiert. Unterm Strich lässt sich in Bezug darauf eines definitiv festhalten. Die Aussage „You have the pussy, you make the rules“, ist mit absoluter Vorsicht zu genießen. Diverse lustvolle Erlebnisse im virtuellen Bereich können diesen Eindruck zwar erwecken. Doch als Cybersex-Sucht betroffene Person wirkst du eher abhängig. Dadurch mutierst du schnell von der Jägerin zum Zwischenhäppchen für Männer, die das Ganze als oberflächliches Spiel sehen.
Falls du diesen Vorgang ebenfalls relativ gleichgültig betrachtest und Cybersex-Sucht bei dir nicht vorliegt, ist alles im grünen Bereich. Erhoffst du dir durch Cybersex indes Aussichten auf mehr (beispielsweise eine Freundschaft+ oder sogar eine Beziehung), ist deutlich mehr Vorsicht angebracht. Denn Wünsche in diesem Bereich werden gerne enttäuscht …
Deswegen ergibt es Sinn, genau zu hinterfragen,
- was du dir von virtuellen Sex-Kontakten erhoffst und
- ob du dein Leben unabhängig vom WWW zu gestalten weißt.
Denn nichts schützt besser vor einer Cybersex-Sucht, als reale Familie, Freunde und Kontakte, die dir wahre das Leben versüßen!
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