Dass virtuelle Erotik nicht spurlos an ihren Fans vorbeigeht, sondern ernstzunehmende Folgen haben kann, dürfte allen klar sein. Doch worin liegen die Cybersex-Gefahren genau? Und ist das virtuelle Poppen wirklich per se ungesund?
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Ist Cybersex ungesund?
Die Begriffe „Cybersex“ und „gesund“ in einen Topf zu werfen, kräftig zu rühren und dann einen Einheitsbrei zu servieren, funktioniert nicht. Zumindest würde das Ergebnis die Testesser genauso polarisieren wie der virtuelle Sex an sich. Das Thema ist zu vielschichtig, als dass man eine klare Antwort erhält.
Die „vielleicht“, „wenn“ und „aber“ trüben das Bild und sorgen dafür, dass zu jedem Argument für auch eines gegen den Cybersex gefunden wird.
So endete der Versuch einer US-amerikanischen Ärztin, zu klären, ob realer Sex möglicherweise die „gesündere“ Variante darstellt, beinahe schon erwartungsgemäß in einer Pro-und-Contra-Liste und einer unterschiedlichen Bewertung der Cybersex-Gefahren.
Ausgelöst wurde die Debatte zum Aspekt „Gesundheit“ durch die Aussagen einiger Therapeuten. Sie halten echten und Beziehungssex für gesund, wohingegen Cybersex und Pornos aus ihrer Sicht meist die Basis für eine spätere Sexsucht bilden.
Ärzte und andere Wissenschaftler bewerten den erotischen Austausch via PC oder Smartphone nicht ganz so streng und warnen davor, „normalen“ Sex auf ein Podest zu stellen.
Dann gibt es noch eine dritte Fraktion, die beides für sexuelle Ausdrucksformen hält – nicht mehr und nicht weniger.
Sämtliche Argumente haben in gewisser Weise etwas für sich …
Dafür oder dagegen? Wie groß sind die Cybersex-Gefahren?
Pro Cybersex spricht, dass er die Fantasie anregt.
Dass es dabei bisweilen auch um Dominanz und Unterwerfung geht, dürfe allerdings nicht negativ eingestuft werden.
Denn diese beiden Aspekte spielten in nahezu jeder Sexfantasie eine Rolle. Von daher sei Cybersex auch nicht „schädlicher“ als der reale Sex zweier (oder mehrerer) Menschen. Kriminalität und Ausbeutung gebe es ebenfalls auf beiden Seiten der Medaille. Sich alleine vor dem PC zu vergnügen, sei in dem Sinne die sicherste Form von Sex. Und: Sexuelle Experimente gehörten zur normalen und gesunden Entwicklung eines Menschen.
Die Gegner von Cybersex mahnen, dass im virtuellen Raum ein geheimes Leben geführt werde und man sich nach und nach von realen Beziehungen verabschiede.
Das seien bereits erste Anzeichen einer Sexsucht aufgrund von Cybersex-Gefahren. Zudem präsentierten sich viele online als völlig andere Person. Dadurch werde das Bild vom eigenen Ich verzerrt und falle es zunehmend schwerer, in der Realität Fuß zu fassen.
Schlimmstenfalls verliere man das Verständnis um das Geben und Nehmen in einer Partnerschaft. Experten sprechen in dem Zusammenhang von „sexueller Objektivierung“.
Wobei zunächst einmal die Frage zu klären gilt, wie er so ist, der durchschnittliche User, der sich Cybersex-Gefahren aussetzt.
Zehn Stunden Cybersex
Klarer Fall von denkste: Den typischen Cybersex-Nutzer gibt es nicht.
- Einige wollen sich nur an Bildern und Worten ergötzen.
- Andere wiederum hoffen, über die Erotik auch das Herz des Chat- oder Flirtpartners zu erobern.
- Hinzu kommen Dutzende sexuelle Neigungen, Vorlieben und Interessen, die dem Einheitsbrei widersprechen.
Gleichwohl ist das in den Köpfen verankerte Cybersex-Bild stereotyp:
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Er ist Single, leicht verlottert und würde bei Frauen in natura sofort abblitzen. | Sie ist nymphoman, treibt es mit jedem und jeder und nutzt das Internet nur, um sich dem nächsten Höhepunkt entgegen zu klicken. |
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Doch stimmt das wirklich?
Tatsächlich ist es ein Irrglaube, dass dieser Abhängigkeit nur Menschen erliegen, die im Job und beim anderen Geschlecht keine Chance haben. Die typischen „Loser“ eben, die in fleckigen T-Shirts im Keller ihrer Mutter sitzen und rund um die Uhr auf den PC-Monitor starren.
Ein Autor des „London Evening Standard“ hat sich mit einem der Betroffenen zusammengesetzt. Einem Manager mit gutem Gehalt und einer netten Ehefrau, die lange nichts von den Problemen ihres Gatten wusste. Leicht war das erste Gespräch für beide Seiten sicherlich nicht.
- Die Angst, einem Sexsüchtigen gegenüberzusitzen und vielleicht die falsche Frage zum falschen Zeitpunkt zu stellen,
- traf auf die Angst, sich einem Wildfremden zu offenbaren.
Das Ergebnis, das bewusst nicht als plumpes Interview veröffentlicht wurde, deckt unverblümt auf, was in einem Cybersex-Süchtigen vorgeht.
Angefangen hatte alles mit den Magazinen des Vaters. Später wurden bis zum Internet- und Cybersex-Auftakt eigene Pornohefte gekauft. Ab da lud er sich in Newsgroups erst Bilder herunter, mit zunehmender Geschwindigkeit der Verbindung dann ganze Videos. Der erste Gang am Morgen führte zum Notebook, um Sex zu konsumieren, nichts Extremes, einfach nur Paare, die es treiben.
Mike – so der Name des Mannes – beschreibt es als eine Sucht, die körperlich und emotional angetrieben wird.
Der Orgasmus war dann keine Erfüllung mehr, sondern beinahe schon Selbstverletzung.
Im Laufe der Zeit sorgte der Cybersex dafür, dass Mike Frauen nur noch objektivierte. Um nicht in Versuchung zu kommen, Kolleginnen zu belästigen, ging er in den Puff. Der Sex mit der eigenen Frau existierte zu diesem Zeitpunkt fast nicht mehr.
In einem Urlaub ohne Highspeed-Internet brach das Geheimnis dann heraus. Für seine Gattin war es ein Schock, für ihn selbst der Moment, ab dem sein Leben eine neue Wendung erhielt. Mithilfe einer Psychotherapeutin schaffte Mike es. Inzwischen lebt auch die Beziehung zu seiner Frau wieder auf.
Die Einschätzung, …
… dass nur „Freaks“ ohne gesellschaftlichen Anschluss den Cybersex-Gefahren zum Opfer fallen, hat somit bereits mit den ersten Studien zum Thema Cybersex tiefe Risse erhalten.
Immerhin zeichnen die Daten der australischen Swinburne University aus dem Jahr 2009 ein ganz anderes Bild.
Denn von den 1.300 Cybersexnutzern, die befragt wurden, waren 55 Prozent verheiratet oder lebten in einer festen Partnerschaft. An dieser Quote dürfte sich in den vergangenen drei Jahren kaum etwas verändert haben.
Obwohl einem „gesunden“ Sexleben also nichts im Wege steht, verbrachten die Damen und Herren täglich bis zu zehn Stunden am PC. Und das ist nur die Zeit, die sie brauchten, um sich virtuellen Sex-Abenteuern hinzugeben.
Zahlen wie diese sprechen für den Stellenwert des Cybersex‘
Positiv daran ist aber lediglich, dass sich niemand schämen muss, wenn er hin und wieder nackte Tatsachen betrachtet oder ein Stelldichein im Netz hat. Macht schließlich fast jeder und ist somit durchaus gesellschaftsfähig.
Doch die Medaille hat zwei Seiten. Auf der dunkleren von beiden schimmert die Abhängigkeit.
Ei Drogen- und Suchtbericht von 2012 geht von 560.000 Bundesbürgern im Alter von 14 bis 64 Jahren aus, die internetsüchtig sind. Die Tendenz ist inzwischen steigend. Bei den jüngeren sind es sicher eher Spiele und Chats.
Doch Dr. Michael Berner, der Vorsitzende des Informationszentrums für Sexualität und Gesundheit, mahnt: „Auch reife Erwachsene sind gefährdet. Vor allem, der leichte verfügbare Cybersex zieht viele in ihren Bann.“
Die Cybersex-Gefahren, die der Psychiater und Psychotherapeut sieht, sind
- Realitätsverlust und
- Vereinsamung.
Davor schützen auch Partnerschaften nicht. Deshalb sollte man den virtuellen Sex nicht zum Lebensmittelpunkt werden lassen, sondern sich lieber auch mal im Bett (oder auf dem Küchentisch) statt nur am PC vergnügen.
Wobei, ein bisschen Spaß muss sein. Und wenn es nur
‘mal für zwischendurch ist, können auch Cybersex-Gefahren gerne einmal außer Acht bleiben …
Stressabbau mit Cybersex
Ärger
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lässt sich mit ein bis zwei Sixpacks runterspülen, | auf der Hantelbank ausschwitzen oder | mit Sex vergessen. |
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Kein Schatzi-hier-Schatzi-da-Kuscheln, sondern purer, animalischer Sex. Getrieben von Lust und fordernd bis zum Finale. Ziel: Schwitzend und nach Luft japsend den Orgasmus genießen.
Zu zweit im Bett eine wunderbare Art, sich der Alltagssorgen zu entledigen.
Doch klappt das auch mit Cybersex? Ja.
Auch virtueller Sex kann Stress abbauen.
Vielleicht nicht auf dem direkten, zwischenmenschlichen Weg. Doch selbst im Handbetrieb oder mithilfe von Sexspielzeug lassen sich Glücksgefühle erzeugen. Ob man nun alleine Pornos schaut? Oder sich via Chat auf die Reise zum Höhepunkt begibt? Das ist eher nebensächlich.
Damit die Seele auch tatsächlich gestreichelt wird, …
… sollte bei der Interaktion mit anderen Personen allerdings von Anfang an gesagt werden, worum es geht.
Denn der Schuss geht ganz schnell nach hinten los, wenn die andere Seite erst „warmlaufen“ muss, man selbst aber sofort zur Sache kommen möchte. Solche Missverständnisse sind Gift für den Stressabbau.
Viele Damen aus dem horizontalen Gewerbe und einige Callboys werden jetzt vermutlich widersprechen. Auch, wenn man es kaum glauben möchte: Die Klientel der Liebesdienerinnen und Liebesdiener legt es nicht ausschließlich auf ein Nümmerchen an.
Gerade Männer wollen einfach nur reden und freuen sich, dass ihnen jemand zuhört und gut zuspricht.
Der Sex gerät zur Nebensache, ist schön, aber nicht der Grund, warum man sich nachher besser fühlt.
Worte statt Taten, Plaudern statt Poppen: Selbst in dieser Hinsicht entwickelt sich Cybersex immer mehr zur Alternative.
Ein einfacher Textchat mit Unbekannten oder ein zwangloses Gespräch vor der Kamera sind manchmal sogar einfacher, als sich Auge in Auge mit jemandem zu unterhalten. Ein solcher Seelen-Striptease jedoch kostet Überwindung.
Daher muss man sich absolut sicher sein, dass die Person am anderen Ende der Leitung diskret und auch bereit ist, darauf einzugehen.
In dem Fall ist es besser, schon vorher ein Vertrauensverhältnis aufgebaut zu haben. Denn Cybersex-Gefahren drohen nicht nur in Form einer Abhängigkeit von der virtuellen Lust, sondern unter Umständen auch als Cybermobbing. Und spätestens da hört der Spaß vollkommen auf.
Bilder von Colourbox.com